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Anerkennung als Naturdenkmal abgelehnt – Gesetzesänderung notwendig

Umwelt

Autor:

Green Steps

Short summary:

Im Dezember 2022 hat Green Steps gemeinsam mit Grünen und FG Lanius einen Antrag auf Erklärung von 185 neuen Naturdenkmälern eingebracht. Eine erste schriftliche Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft, die uns Anfang März zugegangen ist, betrifft eine Eiche in Nadelbach. Die ablehnende Begründung ist beispielhaft für die unzeitgemäße Einstellung der Behörde.

Green Steps hat im Zuge eines Umweltbildungsprojektes das Stadtgebiet in den vergangenen 2 Jahren nach alten Bäumen durchforstet, und dabei festgestellt, dass die Anzahl der Naturdenkmäler stark rückgängig ist. Der Höchststand von 52 ist auf aktuell 39 gefallen. Eine bei der TU Wien im Jahre 1988 in Auftrag gegebene Landschaftsstudie führte im Jahr 1991 zum Erlass von 16 Naturdenkmalbescheiden. Seitdem herrscht quasi Stillstand. Das letzte Naturdenkmal wurde vor 16 Jahren erklärt. Bestehende Naturdenkmäler sind nicht ausreichend gekennzeichnet und gepflegt.

Als Grund für rückläufige Zahlen wurden vom Magistrat die Erhaltungskosten von Naturdenkmälern genannt. Es wurde aber auch eingeräumt, dass ein Naturdenkmal die Stadtentwicklung beschränkt. Die Antragsteller sehen darin den wesentlichen Grund für den mangelhaften Schutz und stellen einen Interessenskonflikt zwischen der Umweltschutzverantwortung und den wirtschaftlichen Interessen der Stadtväter fest. Es wird gefordert, die Verantwortung für Naturdenkmäler auf eine unabhängige Bundesbehörde zu übertragen, um den Naturschutz lokalen wirtschaftlichen Interessen zu entziehen.

Es handelt sich bei Naturdenkmälern um „Naturgebilde, die sich durch ihre Eigenart, Seltenheit oder besondere Ausstattung auszeichnen, der Landschaft ein besonderes Gepräge verleihen oder die besondere wissenschaftliche oder kulturhistorische Bedeutung haben“ (§12 NÖ NSchG). In Anbetracht der Klimakrise muss diese Definition im Interesse der nächsten Generation breitestmöglich ausgelegt werden, um nicht ersetzbare alte Bäume, die das städtische Mikroklima positiv beeinflussen, permanent zu schützen. Eine dahingehende explizite Gesetzesänderung ist überfällig.

Im Dezember 2022 hat der Verein Green Steps St. Pölten gemeinsam mit den Grünen St. Pölten und der Forschungsgemeinschaft Lanius 185 Naturelemente mit insgesamt 265 Bäumen mit mehr als drei Meter Stammumfang beim Magistrat eingereicht und um deren Naturdenkmalschutz angesucht. Dem Antrag ist eine freundliche Vorstellung des Umweltbildungsprojektes im September 2022 vorangegangen, an dem Stadträten Renate Gamsjäger in Vertretung von Bürgermeister Matthias Stadtler teilnahm. Das Magistrat hat bisher jegliche Unterstützung für das Bildungsprojekt abgelehnt bzw nicht reagiert.

Die Marieneiche in Nadelbach

Am 7. März hat der Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten einen der 265 eingereichten Bäume besichtigt und ist zum Schluss gekommen, dass sich die betreffende Eiche im Stadtteil Nadelbach im Zerfallszustand befindet und daher nicht zum Naturdenkmal erklärt werden kann. Weiters muß aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen der Baum sicherheitstechnisch bearbeitet werden, dh der Teil der Krone, der über den öffentlichen Grund der Stadt St. Pölten ragt, muss zurückgeschnitten werden.

Das Gutachten reflektiert wie alte Bäume in einem standardisierten Verfahren wie tote und ersetzbare Gegenstände beurteilt werden. Obwohl Amtssachverständige wie auch externe Dienstleister Bäume nach Erhaltungswert, Gesundheit und Verkehrssicherheit beurteilen müssten, ist den Bescheiden und Gutachten wiederholt zu entnehmen, dass die Verkehrssicherheit als Entscheidungsgrund alle anderen Überlegungen aushebelt. Das Magistrat will jegliche Haftung für durch Bäume hervorgerufene Personen- und Sachschäden ausschließen, und entscheidet sich daher immer für einen Rückschnitt oder eine Fällung, nie jedoch für eine kostenintensivere Bewahrung und entsprechenden Schutz.

Dieses kurzfristige Denken und Handeln widersprechen mittlerweile weithin bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Alte Bäume beeinflussen das städtische Mikroklima positiv, indem sie die Umgebungsluft abkühlen und jeder alte Baum ist exponentiell an der Verarbeitung von Treibhausgasen beteiligt. Für die Marieneiche in Nadelbach ist festzuhalten, dass Totholz einen wichtigen Lebensraum darstellt, indem beispielsweise Hirschkäfer und andere gefährdete Arten nisten. Alte Bäume, insbesondere Eichen bezeichnet der deutsche Förster Peter Wohlleben als Mutterschiffe der Biodiversität. Nicht wegen ihrer jungen Ästchen, sondern wegen der unterschiedlichen Lebensräume, die ein alter Baum verschiedenen Organismen anbietet.

Dass Eichen mit Pilzbefall und Fäulnis bestens zurechtkommen, ist zudem in der Literatur wiederholt nachzulesen. Es sind die Gerbstoffe der Eiche, die deren Holz fäulnisresistent machen und sie zum bevorzugten Holz für den Schiffbau machten. Dem Engländer galt die Eiche als "father of ships", und überhaupt wurden alle Kolonialeroberungen und der Handel mit Übersee erst duch die belastbaren und gut ausgerüsteten – aus Eichenholz gefertigten - Schiffe möglich. Dennoch muß die Marieneiche zurechtgestutzt werden – als ob es nicht andere Möglichkeiten der Kennzeichung entlang eines wenig befahrenen Güterweges gäbe.

Weiterlesen:
• https://www.greensteps.me/library/alte-baeume-in-gefahr--stadt-unterlaesst-schutzmassnahmen.php
• https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221214_OTS0166/alte-baeume-in-gefahr-stadt-unterlaesst-schutzmassnahmen
• https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220929_OTS0006/big-friendly-giants
• https://www.greensteps.me/library/das-geheime-leben-der-baeume.php
• https://ark.greensteps.me/bioregion/species/common-oak#Kultur
• Collapsing foundations: The ecology of the British oak, implications of its decline and mitigation options: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006320718317920