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Plogging, Plastic Pirates oder Müllsammeln? Das Label macht den Unterschied

Plastic Pirates

Autor:

Green Steps

Short summary:

Was ist Plogging? Wie können jung und alt motiviert werden für die Gemeinde Verantwortung zu übernehmen? In diesem Artikel diskutieren wir unser Format Plastic Pirates und das schwedische Format Plogging. Kann eine andere Bezeichnung für Müllsammeln zu einer gesünderen Beziehung mit der Umwelt helfen?

Die Schweden haben mit Plogging bereits 2016 Müllsammeln mit Fitness kombiniert. Aber muß es unbindingt im Laufschritt sein? Auch eine kurzer Spaziergang während der Mittagspause oder nach Dienstschluß, auf dem Müll gesammelt wird, kann das Fitnessstudio ersetzen oder als willkommene Abwechslung vom Büroalltag den Rücken stärken. Eigentlich müßte sich Müllsammeln reger Beliebtheit erfreuen, denn man tut dem eigenen Körper und dem Planeten etwas Gutes – ist das nicht gerade in Zeiten wie diesen ein Anliegen vieler Zeitgenossen? Woran liegt es, dass nicht mehr Menschen von Kritik oder Klage zu aktivem Handeln wechseln und anstatt einer Plogging Pause noch immer Rauchpausen bevorzugen? 

Es ist „Hochsaison“ für Müllsammler solange die Vegetation niedrig ist, aber die Temperaturen nicht mehr allzu winterlich sind. Diese wenigen Wochen im März sollten wir alle nutzen, um jene Flächen von Müll zu reinigen, die wir das ganze Jahr über nicht sehen. Die Stadtgärtnerei und die Abfallwirtschaft kümmert sich um die Flächen der Gemeinde, die wir tagtäglich auf unseren Arbeitswegen benützen. Es gibt allerdings viele Flächen, um die sich niemand kümmert und auf denen sich über die Jahre oder auch während eines einzigen Winters enorme Mengen Abfall sammeln.
Eine derartig Fläche ist der Restwald gleich direkt neben unserem Büro im BIZ, wo wir nun schon fast zwei Jahre eingemietet sind. Jeden Tag ziehen hunderte Studenten und Lehrende vom Bahnhof zur Fachhochschule an diesem Waldstück vorbei und einige der Passanten sind ursächlich für die 32kg Müll die wir heute morgen in weniger als einer Stunde aus diesem 100m langen und 10m breiten Streifen Natur entfernt haben. Wie immer kann man mit etwas Erfahrung erkennen woher der Müll stammt. Windverwehungen vom Parkhaus nebenan. Wilde Müllentsorgung von den Parkbänken entlang des Radweges.

Was bei dieser Müllsammelaktion wieder aufgefallen ist: wir haben die Wahrnehmung für Gemeinflächen oder Allmenden vollkommen verloren. Städte sind Räume, in denen wir täglich navigieren, die jedoch nicht mehr in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, sondern kleinstteilig parzelliert sind. Diejenigen, die über einen eigenen Garten verfügen, pflegen diesen oft in außergewöhnlichem Maße wie die medial stark kommunizierte Initiative Natur im Garten zeigt. Man ist als Grundeigentümer stolz, die eigene Oase, den eigenen Rückzugsort anderen zu präsentieren.

Die Mehrheit der Bevölkerung muss sich jedoch mit öffentlichen Räumen zufriedengeben und dort ihren Kontakt mit der Natur suchen. Diese öffentlichen Räume werden von der Abfallwirtschaft zwar gesäubert, sind aber ständig im Konflikt mit gewerblichen Flächen, die ebenfalls im Privateigentum stehen und von denen aus Müll durch Wind und Konsumenten verteilt wird. Der Restauwald rund um das Glanzstoff-Gelände und der Müll des Traisenparkes ist ein gutes lokales Beispiel hierfür. Das Resultat ist eine mangelnde Verantwortung für die Allmende, die immer mehr als ein gigantischer Mülleimer genutzt wird, und die Konzentrierung von Müll auf gewisse Flächen, die weder vom Magistrat noch von Privateigentümern gereinigt werden.

Derartige Flächen gibt es nicht wenige. Man wundert sich als reger Stadtwanderer über ihre Zahl und über die Apathie der Bevölkerung. Andererseits ist es gut nachvollziehbar, dass einkommensschwache Personen genug damit zu tun haben, über die Runden zu kommen und sich daher wenig um die Umwelt kümmern: erst wenn unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind, können wir die Energie aufbringen, die Natur zu schützen. Bei den einkommensstärkeren Schichten ist wiederum Müllsammeln nicht gerade eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Ein anderes Label würde da sicherlich helfen, um mehr Personen in die Verantwortung zu nehmen.

Plogging ist ein Beispiel für modernes Branding einer an sich unattraktiven Tätigkeit, die einkommensstärkere Schichten dazu motiviert, ihre Zeit dem Umweltschutz zu widmen. Unser Format Plastic Pirates versucht einen ähnlichen Zugang, allerdings richtet es sich nicht an die 30-50 Jährigen, sondern an schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Es ist cool wie Piraten an Orte zu gehen, die man sonst nicht aufsuchen würde. Auwälder, Betriebsgelände, Grünstreifen neben Parkplätzen und das eine oder andere abgezäunte Baugelände, auf dem seit Jahren Müll abgelagert wird, schaffen ein Gefühl, dass uns die Stadt gehört und dass wir etwas beitragen können, um diese zu einem besseren Ort zu gestalten.